Depressionen und andere psychische Erkrankungen können Folgen eines falschen Essverhaltens sein. Umgekehrt gilt aber auch: Mit einigen, recht einfach umsetzbaren Schritten, lässt sich dieses Risiko minimieren. Ein weiterer guter Grund, für eine bewusste Ernährungsweise.
Mikro- und Makronährstoffe – Darum braucht unser Körper Nahrung
Die Frage, warum wir eigentlich essen, erscheint trivial – weil wir Hunger haben, natürlich. Doch schaut man sich den Prozess der Verstoffwechselung genauer an, wird schnell klar, dass dieser aus hochkomplexen biochemischen Abläufen besteht. Sowohl unser Verdauungstrakt als auch unser Gehirn sind wahre Chemiefabriken. Sie wandeln stetig Nährstoffe um, spalten diese auf, kombinieren sie und machen sie für das reibungslose Funktionieren unseres Organismus verfügbar.
Ob es nun das knusprige Brathähnchen ist, ein veganer Salat oder ein leckerer Flammkuchen: Nahrung, die wir verspeisen, besteht immer aus Makro- und Mikronährstoffen. Makronährstoffe dienen vor allem als Brennstoff und liefern dem Körper Energie. Von diesen gibt es lediglich drei: Fette, Eiweiße (also Proteine) und Kohlenhydrate, zu denen auch alle Formen von Zucker zählen.
Die Zahl der verfügbaren Mikronährstoffe liegt im unteren dreistelligen Bereich. Zu diesen zählen alle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Sie steuern und unterstützen wichtige Körperfunktionen, regulieren das Immunsystem und beeinflussen im hohen Maße die Produktion von Botenstoffen im Gehirn.
Sowohl die richtige Zufuhr von Makronährstoffen als auch die ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen, kann den entscheidenden Unterschied bei der Frage zwischen Krankheit und Gesundheit machen. Dies gilt im Besonderen auch für Depressionen und andere psychische Leiden.
Das sollte man bei den Makronährstoffen beachten: nicht zu viele Kohlenhydrate, aber die richtigen
Um die Frage, was eigentlich eine gesunde Ernährung ausmacht, wird leidenschaftlich gestritten. Seit geraumer Zeit empfehlen die offiziellen Ernährungsrichtlinien, welche von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.↗ formuliert werden, den Energiebedarf des Körpers vor allem mit Kohlenhydraten zu decken. Mindestens 50 Prozent der täglichen Energiezufuhr sollen demnach auf diese entfallen.
Zuletzt überarbeitet wurde diese Richtlinie im Jahr 2000. Mehr als zwei Jahrzehnte sind seitdem also vergangen. Eine Zeit, in der viele Ernährungswissenschaftler zahlreiche neue Erkenntnisse hinzugewonnen haben. Mit der Darmflora wird seitdem sogar ein ganzes Organismenreich in unserem Körper neu erforscht.
Leitlinien in Ernährung und Medizin sind besonders starr und gerade bei akuten Problemen ist es nicht immer die beste Wahl, sich einseitig an diesen zu orientieren.
Im Gegensatz zu diesen Leitlinien stehen Ernährungsformen, wie etwa die ketogene Ernährung, bei der weitestgehend auf Kohlenhydrate verzichtet wird. Low Carb, No Carb und Flexi Carb sind längst Trendbegriffe, hinter denen Konzepte stehen, die sich steigender Beliebtheit erfreuen.
Statt den Energiebedarf des Körpers vor allem mit Kohlenhydraten zu decken, ist dabei der Anteil von Fetten und Proteinen in der Nahrung deutlich erhöht. Gerade auch gesundheitliche Aspekte werden dafür ins Feld geführt. Doch welchen Einfluss kann dies auf die Psyche haben, ist eine solche Ernährungsweise wirklich ratsam und auf welche Kohlenhydrate sollte man keinesfalls verzichten?
Die Darmgesundheit und der Blutzuckerspiegel beeinflussen auch unsere Gemütslage
Seit es im Jahr 2001 möglich wurde, das menschliche Darmmikrobiom – auch Darmflora genannt – genauer zu untersuchen, haben Wissenschaftler spannende neue Erkenntnisse über das Organismenreich in unserem Verdauungstrakt gewonnen.
Rund 100 Billionen Bakterien besiedeln den menschlichen Darm, der über den Vagusnerv – die sogenannte Darm-Hirn-Achse – direkt mit unseren grauen Zellen kommuniziert. Was im Darm passiert, hat damit auch entscheidenden Einfluss auf unsere Psyche↗. Eine steigende Zahl von wissenschaftlichen Studien beschäftigt sich just mit diesem Thema. Auf den Seiten der Universität Basel↗ ist zu lesen:
„Bei Patientinnen und Patienten mit Depressionen verhalten sich bestimmte Hirnregionen für emotionale Verarbeitung anders als bei psychisch Gesunden. Nach der vierwöchigen Probiotika-Einnahme normalisierte sich diese Hirnaktivität bei den Teilnehmenden, in der Placebo-Gruppe jedoch nicht.“
Zwar merken die Forscher an, dass Probiotika, welche die Darmgesundheit unterstützen, nicht als alleinige Therapie gegen Depressionen ausreichen würden, sicher sei aber der signifikante Einfluss, den solche Maßnahmen haben.
Es steht also wissenschaftlich außer Frage, dass ein gesundes Darmmikrobiom auch der Psyche hilft. Doch wie lässt sich die Darmflora am besten schützen, aufbauen und im Zweifelsfall sanieren?
Diese Lebensmittel sind gut für die Darmflora
Lebensmittel, welche die Darmgesundheit unterstützen, lassen sich in zwei Kategorien aufteilen: Probiotika und Präbiotika. Präbiotika liefern den vorhanden gutartigen Bakterien im Darm die nötige Nahrung, Probiotika enthalten selbst solche Bakterien.
Die Liste der probiotischen Lebensmittel umfasst unter anderem:
- Joghurt und Kefir
- Eingelegte Gurken und Oliven
- Sauerkraut und Kimchi
- Käse
- Tempeh
- Miso
- Apfelessig
Zu den Präbiotika zählen neben weiteren:
- Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen und Bohnen
- Leinsamen
- Chiasamen
- Hafer und Gerste in der Vollkorn-Variante
- Resistente Stärke
Zu beachten ist nun: Präbiotika enthalten Kohlenhydrate in Form von Ballaststoffen↗. Dies zeigt: Der völlige Verzicht auf Kohlenhydrate, wie er etwa in der No-Carb-Ernährung praktiziert wird, kann kontraproduktiv sein. Denn gerade die Darmflora benötigt diese speziellen Kohlenhydrate. Ein Ungleichgewicht im Verdauungstrakt kann sich wiederum negativ auf die Psyche auswirken und Depressionen fördern.
Dennoch ist es aus einem zweiten Grund sehr wohl sinnvoll, die Menge an verspeisten Kohlenhydraten im Auge zu behalten und genau auszuwählen, welche auf den Teller kommen. Gerade leere Kohlenhydrate (hohe Energiedichte, wenige Nährstoffe), wie sie vor allem in Weißmehlprodukten und Süßigkeiten vorkommen, haben nämlich einen weiteren Effekt auf unsere Psyche. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Blutzuckerspiegel.
Der Blutzuckerspiegel und die Psyche
Ein zweiter Grund, warum ein Essverhalten mit zu vielen Kohlenhydraten in der Kritik steht, betrifft den Blutzuckerspiegel.
Immer, wenn wir Zucker und andere Kohlenhydrate aufnehmen, steigt unser Blutzuckerspiegel und die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf mit einer Ausschüttung von Insulin. Dieses schleust den Zucker sukzessive wieder aus dem Blut. Muten wir nun unserer Bauchspeicheldrüse zu viel zu, indem wir besonders viel Zucker und andere ungesunde Kohlenhydrate konsumieren, kann schließlich eine Insulinresistenz entstehen, die Vorstufe von Diabetes-Typ-2.
Diabetes ist eine schwerwiegende Krankheit, die für sich schon die Lebensqualität von Betroffenen massiv einschränkt. Statt sorgenfrei zu genießen und sich an der kulinarischen Welt zu erfreuen, steht dann das genaue Planen jeder einzelnen Mahlzeit im Vordergrund. Daneben müssen Broteinheiten gezählt werden, der Blutzuckerspiegel gemessen und gegebenenfalls Insulinpräparate gespritzt werden. Eine enorme Belastung für die Psyche. Allein in Deutschland betrifft dies 6,5 Millionen Menschen, also fast 10 Prozent der Bevölkerung.
Doch neben diesen indirekten Effekten steht Diabetes auch in direkter Verbindung mit Depressionen. Schon vor einiger Zeit konnten Wissenschaftler einen kausalen Zusammenhang zwischen Diabetes und Depressionen↗ nachweisen.
Selbst Demenz steht im engen Zusammenhang mit Diabetes und wird von manchen Wissenschaftlern deshalb sogar Diabetes-Typ-3 genannt↗.
Offenkundig beeinflusst das ständige Auf und Ab des Blutzuckerspiegels – für das die ungesunden Kohlenhydrate verantwortlich sind – also auch die psychische Stabilität und Gesundheit. Weniger Zuckerhaltiges und weniger Weißmehlprodukte minimieren dieses Risiko enorm. Dies kann einen Beitrag zum Schutz vor Depressionen leisten.
Vitamin D, Omega-3, Magnesium und B-Vitamine – Diese Mikronährstoffe sind besonders wichtig für die Psyche
Wie eingangs beschrieben, benötigt unser Organismus nicht nur die Energie aus den Makronährstoffen – sozusagen den Treibstoff – sondern auch die vielen kleinen Steuerungsfunktionen der Mikronährstoffe. Diese Mikronährstoffe lassen sich am ehesten mit nützlichen Werkzeugen vergleichen.
Während beispielsweise Vitamin A und Vitamin C hilfreiche Arbeit für ein gut funktionierendes Immunsystem leisten, wirken andere Mikronährstoffe besonders stabilisierend auf die Psyche und können damit auch Depressionen lindern oder davor schützen.
Wer unter psychischer Instabilität oder Depressionen leidet, sollte deshalb überprüfen, ob ein Mangel an diesen Nährstoffen vorherrscht. Dies ist heutzutage mithilfe einfacher Bluttests möglich. Nicht alle diese Messungen sind jedoch Kassenleistungen. Folgende Mikronährstoffe sind nicht nur wichtig für den Körper, sondern auch für den Geist:
- Vitamin D
- Omega-3
- Magnesium
- Zink
- Selen
- B-Vitamine
Die Welt der Mikronährstoffe ist noch um einiges komplexer, als die der Makronährstoffe. Herrscht in einem bestimmten Bereich ein Mangel vor, so ist es sinnvoll, mit einem Arzt, Heilpraktiker oder Ernährungsberater über dieses Thema zu sprechen.
Von der Ernährungsumstellung bis hin zu Nahrungsergänzungsmittel stehen dann recht einfache, praktische Lösungswege bereit, für die allerdings fachkundige Beratung eingeholt werden sollte. Einen besonders guten Überblick über alle Mikronährstoffe hält das gemeinnützige Projekt NährstoffAllianz↗ kostenfrei bereit.
Psychologie, Psychiatrie und Ernährungspsychiatrie
Man kann Depressionen vielleicht nicht einfach wegessen, wohl aber ist es möglich, mit einem bewussten Essverhalten, Einfluss auf die psychische Stabilität zu nehmen. Risikofaktoren lassen sich dadurch minimieren. Depressionen sind und bleiben dennoch eine schwerwiegende Krankheit, die in der Regel auch eine psychiatrische oder psychologische Behandlung erfordert.
Hilfreich kann dabei allerdings auch die noch recht junge Ernährungspsychiatrie sein. Dieser Begriff wurde von der australischen Wissenschaftlerin Felice Jacka geprägt, die eigens dafür das Food & Mood-Center an der Deakin University↗ gegründet hat. Spannende neue Erkenntnisse zum Thema und praktikable Lösungswege sind dort sicherlich in Zukunft noch zu erwarten.